Was viele immer noch nicht wissen – Professionelles Trainingsschauspiel kommt aus der Polizeiausbildung

Aber nicht aus Deutschland, sondern aus den Niederlanden. 1978 brauchte die niederländische Polizei eine schnelle Lösung. Das Verhalten der Polizisten gegenüber den einfachen Bürgern wurde als Katastrophe erlebt. Das Konfliktmanagement der Polizisten oder Feedback auf Augenhöhe waren praktisch nicht vorhanden und es hagelte Beschwerden.

Eine Lösung sollte in der Ausbildung der Polizisten gefunden werden. Durch Kommunikationstrainings, aber eben Kommunikationstrainings auf einem ganz neuen Level. Als erstes probierte man es mit Rollenspielen. Das ist heute natürlich ein alter Hut, 1978 aber ein krasser erster Bruch mit dem sonst üblichen Frontalunterricht. Die Hoffnung bestand darin, in Rollenspielen studieren zu können, wo der Hase im Pfeffer lag – welches Verhalten der Polizisten denn nun warum und wie genau dazu führte, dass die Kollegen einen so schlechten Ruf hatten, um es dann „reparieren“ zu können.

Allerdings waren Rollenspiele in Kommunikationstrainings schon 1978, also in Sekunde eins, genauso unbeliebt wie sie es heute immer noch sind. Kurz: die Polizisten fanden es albern, in Rollenspielen sich selbst oder den Gegenpart, den Bürger zu spielen. Die Rollenspiele wurden als unrealistisch erlebt und waren damit irrelevant. Und kein einziger Polizist zeigte ein Verhalten, wie im echten Leben auf der Strasse.

Der Grund dafür war auch schnell klar. Klassische Rollenspiele kommen ja irgendwie aus dem Militärischen. Da lernt man schon seit Menschengedenken durch Rollenspiele. Die eine Gruppe von Kollegen soll der anderen Gruppe von Kollegen auf die Mütze hauen und alle sollen mal schauen, wo sie was dabei lernen können. Das macht beim Militär und auch für manche Situationen bei der Polizei auch richtig viel Sinn. Weil sich sowas dort sehr schnell ziemlich realistisch anfühlen kann. Immerhin knallt und raucht es ja in solchen Manöversituationen tatsächlich. Was wiederum bedeutet, dass echte Stressreaktionen auftauchen und somit für die jeweiligen Lernziele relevante Situationen geschaffen werden, in denen realistisches Verhalten studiert und trainiert werden kann.

Will man aber emotionale Gesprächssituationen simulieren, um damit etwas zu trainieren, ist die Sache ein bisschen anders. Da raucht und knallt nix. Wenn man die realistisch gestalten will, um reales Verhalten zu trainieren, kann man sich nicht in einen Panzer setzen und mal Gas geben. Kurz – realistisch werden Simulationen für schwierige Gespräche wenn man sie realistisch spielt. Und das kann nicht jeder. Die Idee lag also auf der Hand: Wir lassen das mit diesen Rollenspielen und nehmen dafür Leute, die den ganzen Tag Rollen spielen und das auch können: Schauspieler.

Und das war ein Gamechanger. Die Schauspieler spielten im Trainingsraum gegenüber den Polizisten exakt die Bürger, die ihnen auch im echten Leben begegneten und deren Verhalten sie auf die Palme brachten. Was wiederum dazu führte, dass die Polizisten auf die Schauspieler genau so hart reagierten, wie es die vielen Beschwerden der Bürger auch beschrieben hatten. Blinde Flecken wurden für jedermann sichtbar und endlich hatten die Ausbilder Material, mit dem sie arbeiten konnten. Blinde Flecken sind allerdings nicht sonderlich beliebt. Und so wurde schnell der Einwand laut, dass das Verhalten der Polizisten in den Rollenspielen ja nicht für bare Münze genommen werden könne. Schliesslich seien es ja nur künstlich hergestellte Laborsituationen, auf die die Kollegen da reagieren würden. In Wirklichkeit sei das Verhalten der Polizisten viel weniger schlimm und nicht annähernd so drastisch.

Ein frommer Wunsch.

Denn als man diese Kritik zum Anlass nahmen, die Sache durch Experimente zu untersuchen, war es um die Einwände schnell geschehen.

Was war der Versuch? Kurz gesagt – eine Art „Versteckte Kamera-Show“ für Polizisten, nur nicht so lustig. Polizisten wurden während ihrer regulären Schicht zu inszenierten Situationen an realen Einsatzorten gerufen und trafen dort unwissentlich auf Schauspieler, die sich in der Rolle von einfachen Bürgern verschiedenster inszenierter Vergehen schuldig gemacht hatten. Es galt, aggressiv aufgeladene Situationen zu deeskalieren, ein Recht durchzusetzen oder Bussgelder auszustellen. Die Polizisten erlebten die künstliche Situation als vollständig real, und siehe da – die Härte und Unbeholfenheit der Polizisten im Umgang mit den „Bürgern“ entsprach in weitesten Teilen nicht nur exakt dem zuvor studierten Verhalten aus dem „Labor“, es war oft sogar noch härter und noch unbeholfener als im bewussten Rollenspiel mit den Schauspielern. Versteckte Kameras hielten das ganze fest und nun war klar, dass das Üben mit professionellen Schauspielern auch in Laborsituationen exakt das Verhalten bei einem Teilnehmer sichtbar, spürbar, beschreibbar und damit veränderbar machen konnte, um das es bei jedem einzelnen ging.

Like a rolling stone

Bald schon wurden ganze Entwicklungsprogramme mit Schauspielern zu Themen wie Konfliktmanagement, Gesprächsführung oder Feedback entwickelt und auf sämtliche Bereiche der niederländischen Polizei ausgerollt. Es dauerte nicht lange und die Kommunikationstrainings mit den Schauspielern wurden auch in sozialen Einrichtungen angeboten – zunächst in Frauenhäusern und Familienzentren, schliesslich in sämtlichen sozialen Bereichen im ganzen Land.

Auf Grund dieses enormen Erfolges wurde bereits 1978 die erste Agentur für Trainingsschauspieler gegründet. Bis Mitte der 1980er Jahre wuchs der Bedarf an Trainingsschauspielern stetig an – und mit ihnen der Bedarf an Trainern, die die Kommunikationstrainings mit den Schauspielern leiten konnten. Die Schauspieler wurden weiterhin aus den Theatern und der Filmbranche rekrutiert, die Trainer jedoch kamen nicht länger aus den eigenen Reihen von Polizei und sozialen Einrichtungen, sondern zunehmend aus der freien Wirtschaft, um den Bedarf an Konflikttrainings, Feedbacktrainings oder Deeskalationstrainings zu decken.

Die wiederum kamen auf die naheliegende Idee, das Konzept mit den Trainingsschauspielern an die Bedürfnisse der Wirtschaft anzupassen und es auch dort anzuwenden. Dieser Schritt schliesslich hat alles verändert. Heute arbeiten in den Niederlanden zwischen 3000 und 4000 Trainingsschauspieler an je 100 Tagen im Jahr. Wenn eine Gruppe aus 6-12 Teilnehmer besteht, kann man sagen, dass in den Niederlanden heute ca. 3.000.000 Menschen jedes Jahr in ihren Kommunikationstrainings mit Trainingsschauspielern arbeiten.

Was gelernt?

Super! Theorie ist wichtig, doch noch wichtiger ist die Praxis. Fahrradfahren lernt man auch nicht durch das Lesen eines Blogartikels.

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Das auf dieser Website genutzte generische Maskulinum adressiert alle Geschlechter. Auf eine Mehrfachbezeichnung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.

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